Wie schreibe ich eine dialektische Erörterung?
Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über den Aufbau einer dialektischen Erörterung und zeigt Schritt für Schritt auf, welche inhaltlichen Aspekte beachtet werden müssen. Zusätzlich gibt es ein paar praktische Tipps und Tricks, damit dir garantiert dein nächster Aufsatz gelingt. Am Schluss dieses Moduls erhälst du eine Übersicht über eine Vielzahl von Erörterungsthemen.
Die dialektische Erörterung gehört zum Typus der freien Erörterungen. Im Gegensatz zur linearen Erörterung gibt es bei der dialektischen Erörterung eine offene Fragestellung, die im Schreibprozess einen favorisierten Standpunkt zulässt. Beispiel: Ein klassisches Thema wäre etwa "Wahlrecht ab 16 Jahren?". Hier muss man sich im Voraus der Erörterung entscheiden, ob man sich Für oder Gegen das Wahlrecht ab 16 positioniert. Dagegen lassen geschlossene Fragestellungen für lineare Erörterungen (z.B. Wieso wird der Urlaub im Ausland immer teurer?) kein Pro oder Kontra zu. Man spricht in diesem Fall auch von einem gegebenen bzw. unstrittigen Sachverhalt.
Zusammengefasst bedeutet das also: Ist die Erörterungsfrage mit Ja oder Nein zu beantworten, handelt es sich um eine dialektische Erörterung (offene Fragestellung). Kann man das Erörterungsthema nicht mit Ja oder Nein beantworten, handelt es sich um eine lineare Erörterung (geschlossene Fragestellung).
Übrigens: Der Begriff „Dialektik“ lässt sich aus dem Lateinischen ableiten und bedeutet soviel wie "Kunst, ein Gespräch zu führen". Was die dialektische Erörterung mit einem Gespräch gemeinsam hat, wird im Laufe der Lerneinheit noch deutlich.
Aufbau dialektische Erörterung:
1.) Einleitung:
- Thema der Erörterung
- Welchen Stellenwert hat das Thema?
- Aufhänger (Faktum, Zitat oder Vorurteil)
2.) Hauptteil:
2.1 Kontra: Mit dem abgelehnten Standpunkt beginnen!- Argument 1 (stärkstes Argument)
- Argument 2 (mittelstarkes Argument)
- Argument 3 (schwächstes Argument)
2.2 Pro: Bevorzugter Standpunkt
- Argument 1 (schwächstes Argument)
- Argument 2 (mittelstarkes Argument)
- Argument 3 (stärkstes Argument)
2.3 Synthese: Zusammenführung von Pro und Kontra
- Kompromiss herausarbeiten
3.) Schluss:
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Eigene Meinung (Persönlich Stellung beziehen)
- Ausblick
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Dialektische Erörterung schreiben - Schritt für Schritt Anleitung
Alle unterschiedlichen Typen von Erörterungen folgen dem typischen Aufsatzgrundschema aus Einleitung, Hauptteil und Schluss. Von dieser Abfolge darf unter keinen Umständen abgewichen werden. Innerhalb der einzelnen Gliederungspunkte besteht allerdings etwas Spielraum.
Die Einleitung einer dialektischen Erörterung hat den Anspruch, kurz in die Thematik der Erörterung einzuleiten. Das kann auf ganz unterschiedliche Arten geschehen, beispielsweise in Form eines sogenannten Aufhängers. Dieser hat die Funktion, das Interesse beim Leser zu wecken. Um beim oben genannten Beispiel zu bleiben, könnte eine Einleitung zum Thema "Wahlrecht ab 16?" so aussehen:
Der Schulminister des Landes Schleswig-Holsteins stellte erst kürzlich fest: "Auch junge, politisch interessierte Bürger haben das Recht, ihre Stimme abzugeben.". Damit öffnete er Tür und Tor für eine immer wieder aufkommende Diskussion zum Mindestalter für die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl.
Doch wo liegen die Vor-, und wo liegen die Nachteile in einem Wahlrecht ab 16 Jahren?
In diesem Einleitungssatz befinden sich alle wichtigen Elemente: Das Thema der Erörterung, der Stellenwert des
Themas, ein Aufhänger in Form des Zitats, als auch eine unmittelbare Überleitung in den Hauptteil der dialektischen
Erörterung.
In der Klausur hat man durchaus die künstlerische Freiheit ein Zitat als Teaser zu verwenden. Ebenso wirkungsvoll
können Erörterungen aber auch mit vorherrschenden Vorurteilen eingeleitet werden. Das zeigt sofort den Anspruch
auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, und genau das ist der Kern von dialektischen Erörterungen:
Die intensive und kritische Auseinandersetzung in einer bestimmten Problematik.
Bevor der eigentliche Hauptteil beginnt, muss man sich vorher schon entschieden haben, welcher Standpunkt die
bevorzugte Perspektive darstellt. Im Idealfall wählt man den Standpunkt, für den man die besseren Argumente vorbringen kann.
Der Hauptteil folgt nun einer besonderen Aufteilung. Zuerst werden die Argumente der Gegenposition dargestellt,
wobei mit dem stärksten Argument begonnen und mit dem schwächsten Argument abgeschlossen wird.
Der Aufbau hat einen psychologischen Hintergrund. Zuerst, und speziell zuletzt genannte Informationen sind für das Gehirn
besonders einprägsam und werden höher gewichtet (Primacy-Recency Effekt). Dadurch, dass mit der Gegenposition
begonnen wird, sind die Argumente der persönlich bevorzugten Position später präsenter. Sie überlagern gewissermaßen die
Gegenposition. Und die Tatsache, dass die Argumente der Gegenposition von stark nach schwach dargeboten werden,
führt zu einer Abschwächung der Argumentation. Im Gegensatz dazu wird die eigene Argumentation dann von schwach
nach stark geordnet. Das stärkste Argument muss in jedem Fall die Argumentationskette abschließen. Hierdurch
erreicht man ein Maximum an "psychologischer" Argumentationsstärke.
Selbstverständlich müssen die einzelnen Argumente auch inhaltlich stark sein. Eine wohlüberlegte Ordnung von
schwachen Argumenten zeichnet noch keine gute dialektische Erörterung aus. Erfahrungen, Beispiele, Studien,
Statistiken, und sogar Expertenmeinungen eignen sich zur Stützung der jeweiligen Pro- und Kontra Positionen.
Im dritten und letzten Abschnitt des Hauptteils muss aus den Argumenten beider Extrema ein Kompromiss
gefunden werden. Die sogenannte Synthese schlägt einen Mittelweg ein. Dementsprechend sollte man nicht versuchen,
seine Argumente um jeden Preis durchzusetzen. Zugeständnisse auf Seiten von Pro und Kontra müssen zu einem klaren
Ergebnis führen.
In einer stilistisch schlechten dialektische Erörterung würden die schon zuvor genannten Argumente noch einmal
aufgezählt. Jedoch ist das weder Sinn, noch Zweck der Synthese. Das Ergebnis muss aus den Argumenten und
Gegenargumenten des Hauptteils hervorgehen und etwas Eigenständiges bilden. Eine mögliche Synthese zu dem bereits oben
verwendeten Beispiel zum Wahlrecht könnte so aussehen:
Auch wenn man sicherlich nicht davon ausgehen kann, das ausnahmslos alle Jugendlichen die nötige Reife mitbringen, um sich der Wahlverantwortung bewusst zu sein, könnte die Politik sich zumindest für ein durchweg kommunales Wahlrecht ab 16 einsetzen. Damit wäre einerseits das Wahlrecht der Jugend gewahrt, und andererseits bliebe das Wahlrecht auf Bundesebene unberührt.
Der Schlussteil einer dialektischen Erörterung bietet noch Raum für die eigene Meinung zum Thema. Allerdings sollte
der Umfang nicht mehr als eine halbe Seite betragen, da hier kein Schwerpunkt liegt. Außerdem kann ein Ausblick
auf die Thematik gegeben werden, etwa wie die Entwicklung aussehen könnte, was in Zukunft zu erwarten ist und wo
die Erwartungen an die Grenzen stoßen.
Zuletzt sei noch aufgelöst, woher die dialektische Erörterung ihren Namen hat. Die Darstellung von Pro und Kontra
erinnert an einen Disput zwischen zwei Personen. Daher leitet sich, wie oben schon erwähnt, der Name "dialektisch"
vom Lateinischen "Kunst, ein Gespräch zu führen" ab.
Beispielthemen für dialektische Erörterungen:
Wahlrecht ab 16 Jahren?
Soll die Todesstrafe in den USA abgeschafft werden?
Koedukation in der Schule?
Müssen Killerspiele in Deutschland verboten werden?
Lohnt sich studieren noch?
Ist der Klimawandel eine Lüge oder Realität?
Sollten Schüler ein Jahr im Ausland absolvieren?
Sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden?
Müssen Tierheime staatlich unterstützt werden?
Senioren und Studenten in gemeinsame Wohngemeinschaften zusammenführen?
Handyverbot auf dem Schulgelände?
Haben Lehrlinge nach ihrer Ausbildung noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt?
Sollen die Fußballvereine die durch Hooligans verursachten Einsätze der Polizei selbst zahlen?
Muss die Altersgrenze für Alkohol - wie auch in den USA - auf 21 Jahre hochgesetzt werden?
Mehr Wahlfreiheit in der Schule - Mathematik kein Pflichtfach mehr?
Soll jeder Mensch mit seiner Geburt automatisch einen Organspendeausweis erhalten?
Getrennter Sportunterricht für Jungen und Mädchen?
Privatisierung der öffentlichen Verkehrsmitteln in allen deutschen Großstädten?
Besseres Essen in der Schule - Muss Fastfood aus den Schulkantinen verbannt werden?
Mit 18 Jahre von zu Hause ausziehen?
Tipps und Hinweise für dialektische Erörterungen:
Der dialektische Erörterungstyp darf nicht mit der linearen Erörterung verwechselt werden!
Vorarbeit: Eine tabellarische Übersicht über alle Argumente sorgt später für eine gegliederte Erörterung!
Das stärkste Argument der persönlich bevorzugten Pro/Kontra Perspektive muss als letztes genannt werden!
Synthese bedeutet nicht Paraphrasierung der Argumente. Es muss ein Kompromiss gefunden werden!
Der eigene Standpunkt muss bereits vor dem Schreibprozess (zwecks Gliederung) klar sein!
Einleitung und Schlussteil sollten zusammen nicht mehr als eine Din A4 Seite umfassen!
Übung macht den Meister: Vor der Klausur zur Übung eine eigene dialektische Erörterung schreiben!
Weiterführende Links:
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